Unterwegs auf dem Chemin de St-Jacques
Viele sagen, die 200 km zwischen Le Puy und Conques seien die schönsten des GR65, respektive des französischen Jakobswegs. Im Corona-Sommer 2020 bot sich ein Zeitfenster, dieses Wegstück zu begehen. Ob dies auch im Sommer 2021 möglich sein wird, wissen wir nicht. Falls ja, ist’s die Zugfahrt in die Auvergne wert!
Als ich am vierten Abend meiner Reise auf dem mir zugewiesenen Bett sass (ich hatte Glück, es war jenes an der linken Wand des mit 30 Liegen ausgestatteten Zimmers), sprach mich eine junge Frau an. Sie war gertenschlank, wohl so um die 25 oder 26; eine Deutsche. Auch sie sass auf dem Bett. Es war das übernächste von mir – ein eisernes Gestell mit einer in eine Einweghülle gesteckten Schaumgummi-Matratze darauf. Als Corona-Schutzmassname galt die Weisung, wonach jedes zweite Bett unbenutzt zu sein hatte. Sie und ich waren hier die einzigen Nichtfranzosen – eine Folge der Pandemie: Denn hier wären, zu ’normalen‘ Zeiten, Menschen von überall her zugegen.
Kein Wanderzirkus
Und wie ich jener Frau zuhörte (und mich über ihren ohne Punkt und Komma vorgetragenen Wortschwall zu wundern begann), überkam mich ein Gefühl, das ich von früheren Reisen her zwar kannte, das mich aber gleichwohl in Erstaunen versetzte; es ist dieses Gefühl von – wie soll man’s nennen: von Ewigkeit? Als sei man eine Ewigkeit bereits von zuhause fort, eine Ewigkeit schon unterwegs. Dabei würde dies hier erst die vierte Nacht sein.
Le Puy, mit seinen in den Himmel zeigenden Vulkanschloten und der über der Stadt thronenden, 20 Meter hohen Marienstatue – das war der Anfang. Mit Übernachtung in der Pilgerherberge Saint François, gleich neben der Kathedrale. Besser hätte der Start nicht sein können: das Zimmer war eine Dachkammer, ausgestattet allein mit dem Nötigsten – ein Tischchen, ein Stuhl, ein schmales Bett, an der Wand zudem ein kleines Holzkreuz. Aus dem Fenster der Blick auf alte Ziegeldächer. Die Etappen der ersten Wandertage hatten über die Hügel der Margeride geführt; einmal gar auf 1200 Meter ü. M. Eindrücklich von dort oben die Fernsicht: vor einem diese weite Landschaft, wie ein Patchwork aus Wald und Weiden, ein Teppich aus unterschiedlichsten Grüntönen. Und irgendwo, so war zu erahnen, irgendwo über diesen leicht gewellten, endlos wirkenden Teppich und stets in südwestlicher Richtung würde, Kilometer um Kilometer, die Route für die nächsten Tage verlaufen.
So sassen wir also da, in jenem Schlafsaal, die Deutsche und ich. Von der mir zuallererst ihr unruhig suchender Blick aufgefallen war. Sie redete (und löffelte gleichzeitig Joghurt aus einem Plastikbecher) übers Pilgern. Was Pilgern sei oder was es sein sollte – oder sein müsste …! Sie war, darauf legte sie Wert, in diesem Métier keine Novizin; und also zog sie Vergleiche zum Camino in Spanien, auf dem sie im 2019, vor der Pandemie, unterwegs gewesen war.
Nun, die Sache war offensichtlich: Diese Frau war unglücklich – unzufrieden darüber, dass hier auf dem französischen Camino, respektive auf dem Chemin, im 2020, ’nichts los‘ war. Was in etwa so viel bedeutet wie: Von der Pilger-Subkultur, die den Jakobs-Hauptweg durch Spanien (via Burgos und Léon) gerade auch für jüngere Menschen derart reizvoll macht (und sich mitunter anfühlt, als sei man auf einem sommerlichen, leicht esoterisch angehauchten Popfestival) – nun, dieses …
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