Weggehen, um wieder zu kommen
Die San-Bernardino-Autobahn A13 und die Allerwelts-Agglo von Bellinzona-Arbedo mit Tankstellen, Shops und Fast Food liegen nah, aber hier oben sind sie so fern, dass man zu glauben versucht ist, deren Ära habe nie begonnen. Hier oben: man geht zu Fuss, auf der linken Seite des Calancatals, von Braggio nach Santa Maria – und weiter bis Grono.
Die beiden Frauen an jenem Tisch hatten Espresso-Tässchen vor sich und Zigaretten zwi-schen den Fingern; und die beiden nicht-rau-chenden, aber beleibten Männer am gleichen Tisch hatten je eine Stange vor sich. Die Frauen hatten ihre schneeweissen Corona-Gesichts-masken unters Kinn geschoben, die Männer waren maskenlos. Und ich, meinerseits, bilan-zierte beim Warten aufs Postauto, dass ich während dieser mehrstündigen Wanderung, die durch eine derart wunderliche Natur- und Kul-turlandschaft geführt hat, ausserhalb der Dörfer nicht einem einzigen Menschen begegnet bin!
Eine gute Seele
Braggio im Calancatal: eine Seilbahn auf Basis Selbstbedienung führt ab Arvigo hinauf ins Dorf: 400 Höhenmeter binnen zwei, drei Minu-ten! Ein letzter Blick auf die alte Bogenbrücke über die wild schäumende Calancasca – und das Bähnchen trägt einem hoch und höher aus diesem V-Tal; rechterhand das Dorf Arvigo, wo man in der Osteria Germinia (mit dazu gehö-renden Laden) neben dem Gemeindehaus noch einen Kaffee trinken kann (das Beizen-Sterben im Calancatal ist eine Tragödie). Und linker-hand öffnet sich der Blick auf den Steinbruch der Alfredo Polti SA; es ist eine zünftige Schneise, die sich da den bewaldeten Berghang hochzieht. Aus der Ferne betrachtet wirken die darin verkehrenden Radlader jedoch wie Kin-derspielzeug. Der Gneis, der hier seit nunmehr 100 Jahren abgebaut wird, geht hinaus in die Welt – auch ins nahe Bellinzona! Dort hat die SBB diesen Calanca-Stein für die eben fertigge-stellte Fussgänger-Überführung beim Bahnhof einsetzen lassen.
Gneis, respektive Stein – das Calancatal ist, unübersehbar, steinreich! Und reich, ausserordentlich reich ist diese Talschaft zudem an religiösen, an christlichen, an katholischen Symbolen und Zeichen! Kirchen, Kapellen, Bildstöcke und Wegkreuze – was in diesem Teil der Welt die Leitkultur ist (oder zumindest mal war), das ist offenkundig. Wie indes die Zukunft dieser steinernen Zeugen aussieht, steht in den Sternen: In Rossa, dem hintersten Dorf des Tals, nehmen Künstler um den welt-weit tätigen Bildhauer David Tremlett für sich in Anspruch, darauf eine mögliche Antwort zu formulieren (siehe auch Seite 21); sie verpass-ten drei Kapellen im und ums Dorf eine expres-sive Fassadenbemalung.
Oben in Braggio stehen zwei Kapellen: eine weisse (im Jahr 1633 geweiht) und eine rote (1822 erbaut). Die weisse, so ist zu verneh-men, sei ein Kraftort….
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