4 Fragen an Patrik Wiedemeier
Heute gehen die 4 Fragen an Patrik Wiedemeier. Er ist Zoologe, und er wird am 7. Juli im Namen der Naturfreunde den Naturkurs «Insektenparadies bei Chur» leiten.
Es heisst, dass Sie auf Dürrboden, wohin der Naturkurs vom 7. Juli führen wird, 131 Wildbienen- und Wespenarten sowie 32 Tagfalter und 21 Heuschreckenarten registriert haben. Wie muss ich mir diese Inventarisierung vorstellen?
Um bei Feldaufnahmen in einem Gebiet die hinterste und letzte Art zu finden, müsste ein riesiger Aufwand betrieben werden. 100 Begehungen wären aber sehr ineffizient. Vielleicht hätte ich dann 140 Wildbienen- und Wespenarten statt ‚nur‘ 131 Arten gefunden. Ich habe mit einem viel geringeren Aufwand gearbeitet: Ich habe 5 Begehungen für Wildbienen und Wespen sowie 5 Begehungen für Tagfalter und Heuschrecken gemacht. Bei jeder Begehung wurden 2 Probeflächen während je 2 Stunden nach den betreffenden Insektengruppen abgesucht. Wichtig ist, dass die Begehungen über die ganze Vegetationsperiode verteilt sind, da viele Arten nur im Frühling, andere nur im Hochsommer fliegen bzw. aktiv sind. Also machte ich meine Begehungen zwischen Anfang Mai und Ende August. Da all diese Artengruppen „Sonnenanbeter“ sind, ist es wichtig, dass die Begehungen nur bei schönem Wetter stattfinden.
Dazu die ketzerische Frage der Zyniker: Warum ist Artenvielfalt in der Natur derart wichtig?
Biodiversität ist nicht einfach gleich Artenvielfalt. Die Biodiversität umfasst auch die genetische Vielfalt, die Vielfalt an Ökosystemen, die Vielfalt der Interaktionen zwischen Arten und Ökosystemen. Genetische Vielfalt ist beispielsweise wichtig für die Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen, wie wir sie im Zeitalter des Klimawandels nur allzu gut kennen. Die Artenvielfalt spielt auf vielen Ebenen eine zentrale Rolle: Für die Bestäubung, bei der Bekämpfung von Schädlingen, etc. Und vielfältige Ökosysteme können beispielsweise witterungsbedingte Extremereignisse abmildern.
Gibt es für Sie als Wissenschaftler eigentlich auch noch so etwas wie ein Lieblingsinsekt?
Als Zoologe und leidenschaftlicher Fotograf fasziniert mich nicht nur die Biologie und Ökologie der Insekten und anderer Tiere, sondern auch ihre Schönheit. Und da stehen für mich die Schmetterlinge klar im Vordergrund.
Sie lehren Studierenden an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und an der Hochschule Luzern (HSLU) das Fotografieren von Insekten: welches ist bei dieser Art des Fotografierens die grösste Herausforderung?
Alle Insekten sind meist klein, oft scheu, und viele krabbeln andauernd umher. Man muss sich zum Fotografieren also nahe heran pirschen und darauf warten, bis das Objekt die richtige Position eingenommen hat. Das Einstellen von Schärfe und Bildausschnitt sind äusserst subtil, da die Schärfentiefe vor allem bei kleineren Insekten nur noch 1 – 2mm beträgt. Auf jeden Fall braucht man viel Geduld – und stets auch eine Portion Glück.