Eine Frau, die möglich macht
Samantha Bourgoin arbeitet seit dem vergangenen Jahr als Vertreterin des Tessin und Zuständige für nachhaltigen Tourismus im Vorstand der Naturfreunde Schweiz mit. Die erfahrene Brückenbauerin und Ermöglicherin liebt die Natur und ist stets offen dafür, neue Wege zu gehen.
«Wir brauchen eine neue Beziehung zur Natur.» Die das sagt, stellt ihre Arbeitskraft schon seit vielen Jahren in den Dienst der Natur. Samantha Bourgoin gehörte zu den Gründer:innen des Netzwerks Schweizer Pärke, war Projektleiterin des Parco Nazionale Locarnese, ist Co-Koordinatorin der Grünen Partei Tessin und sitzt für dieselben im Tessiner Grossen Rat – und sie arbeitet seit Juni 2023 im Vorstand der Naturfreunde Schweiz mit, wo sie für das Ressort «Nachhaltiger Tourismus» zuständig ist und das Tessin vertritt. Mit «neu» meint sie: «Emotionaler. Wir müssen die Natur wieder mehr spüren, sie mehr als etwas Eigenständiges ansehen. Wir erwarten stets, dass die Natur etwas für uns tun muss, anstatt mit ihr in eine Beziehung zu treten, in der beide geben und nehmen.»
Die Tessinerin liebt die Natur. Und sie mag auch die Menschen sehr gern. Deshalb setzt sie bei ihrer Arbeit nicht nur auf die Beziehung zur Natur, sondern auch auf die zu den Menschen. «Ich arbeite gerne in Netzwerken. Wenn man zusammen mit Menschen etwas erreichen will, muss man zu ihnen eine Beziehung aufbauen und ihre Realität kennenlernen. Erst dann kann man eine gemeinsame Vision entwickeln und zusammen an einem Strang ziehen.»
Sätze zum Nachdenken
Die erfahrene Brückenbauerin ist im Tessin im Maggiatal aufgewachsen, für das Studium der Politologie nach Lausanne gezogen und danach ins Tessin zurückgekehrt. Zu den ersten Stationen ihres Berufslebens gehörten die Arbeit in einem Verlag und der Aufbau einer Kommunikationsagentur für Verlagsprodukte. Samantha Bourgoin war mitbeteiligt an der Neupositionierung der «Tessiner Zeitung» und der Neulancierung der kostenlosen Wochenzeitung «Il caffè della domenica». Später hat sie eine Agentur gegründet, die auf Image- und Kommunikationsstrategie und -beratung, Marketing, Eventorganisation und Projektmanagement spezialisiert ist und hat in dieser Funktion unter anderem einige Jahre lang das JazzAscona-Festival geleitet. Bourgoin spricht neben Italienisch und Französisch auch fliessend Deutsch.
Wenn sie über sich selbst spricht, sagt Samantha Bourgoin hin und wieder Sätze, über die man als Zuhörerin kurz nachdenken muss. «Ich habe eigentlich kein Bild von mir, sondern sehe mich stets durch die Augen derjenigen, mit denen ich gerade zu tun habe.» Für alle, die die Realität als Bilder verstehen, die sich stets ändern und von allen Beteiligten immer wieder neu geprägt werden, sind solche Sätze ein Genuss. Alle anderen sollten sich von einer solchen Aussage nicht täuschen lassen. Samantha Bourgoin scheint kein Fähnchen im Wind zu sein, sondern eine Frau, die weiss, was sie will und was sie kann, und trotzdem stets offen ist für Neues und für die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten.
Bei der Arbeit sieht sie sich nicht nur als Brückenbauerin zwischen Menschen, sondern auch als Ermöglicherin für diese. Oder in typischen Samantha-Bourgoin-Worten: «Ich nenne das Prothese-Einstellung. Das heisst, ich kann – im übertragenen Sinne – jemandes Hand oder Fuss sein und ihm damit diesen Teil der Arbeit abnehmen oder ihn lehren, seinen Fuss oder seine Hand anders oder gar besser einzusetzen.» Bei der Arbeit, die sie mache, seien nie zwei Jobs gleich. Egal ob als Beraterin oder im Mandatsverhältnis, es gelte für jedes Projekt zusammen mit den Beteiligten individuelle Lösungen zu suchen, auf verschiedenen Ebenen tätig sein und offen zu sein für Wege, die ein Projekt gehen kann und die man vielleicht selbst noch nicht kennt.
Und was denkt sie, kann sie von all ihren Erfahrungen bei den Naturfreunden Schweiz einbringen? «Nachhaltiger Tourismus ist nicht etwas, das man von oben anordnen, sondern etwas, das zusammen mit den Anbietenden entstehen kann. Wir könnten beispielsweise zusammen mit den Sektionen und den Häusern schauen, ob sie innerhalb ihrer jeweiligen Möglichkeiten zusätzliche Angebote im Bereich des sanften Tourismus schaffen wollen und können und dann miteinander überlegen, wie wir diese am besten vermarkten könnten.»
Was die Realität von uns will
Etwas länger als bei den Naturfreunden mischt Samantha Bourgoin in der kantonalen Politik des Tessin mit. 2019 kandidierte sie als Grossrätin für die Grüne Partei und wurde prompt gewählt. Seit demselben Jahr ist sie überdies Co-Koordinatorin der Grünen Tessin. Was möchte sie in der Politik erreichen? «Die Grünen machen eine Politik, die die Beziehung zwischen den Menschen und der Natur verbessern will. Wir sind keine grosse Partei im Tessin, aber wir können gleichwohl mit unseren Anträgen Themen aufs Tapet holen und damit eine Diskussion darüber erreichen. Für mich ist die Politik neben meinen sonstigen Engagements eine Möglichkeit, etwas zu erreichen. Denn wer die Welt verändern will, muss verschiedene Wege gehen und in verschiedenen Realitäten wirken.» Und ergänzt in Samantha-Bourgoin-Manier: «Die Realität weiss, was sie von uns will.»