Wissen ist Widerstand
Wofür setzen wir unser Wissen ein? Um vernünftig zu handeln? Um Macht auszuüben? Urs Wüthrich-Pelloli, Präsident der Naturfreunde Schweiz hat noch eine weitere Idee.
Handeln auf der Grundlage von fundiertem Wissen und gesicherten Erkenntnissen, die sich auf geprüfte Fakten stützen (nicht zu verwechseln mit Verschwörungstheorien), bildet das gemeinsame Merkmal der Schwerpunktthemen in diesem Heft. Umfassende Kenntnisse über meteorologische und topographische Verhältnisse und Entwicklungen, Materialeigenschaften, physikalische Zusammenhänge und menschliches Verhalten bilden unverzichtbare Voraussetzungen für Sicherheit und Erfolg – beim Eisklettern und auf Schneetouren genauso wie bei Pionierprojekten zur Gewinnung von Windenergie.
Vor über 400 Jahren formulierte der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon die These: «Wissen ist Macht.» Selbstverständlich wollen wir nicht Ende des 16. Jahrhunderts stehen bleiben. Wir müssen uns mit zeitgemässen Aussagen zur Bedeutung des Wissens beschäftigen. Mir persönlich gefällt die Weiterentwicklung von «Wissen ist Macht» am besten, wie sie der Schweizer Schriftsteller
Peter Bichsel formuliert hat: «Wissen ist Widerstand.» Es geht um Widerstand gegen Gleichgültigkeit, aber auch um Widerstand gegen Entsolidarisierung, Widerstand gegen Politabstinenz und Widerstand gegen Intoleranz.
Im Zentrum steht für mich der Widerstand gegen Gleichgültigkeit. Dank unserem Wissen sind wir in der Lage, die Konsequenzen unserer Gleichgültigkeit zu erkennen, auch wenn wir diese Folgen im Moment noch nicht direkt spüren.
- Unsere demokratischen Rechte, der Anspruch auf Mitgestaltung unserer Gesellschaft, sind kein Naturgesetz. Die Gleichgültigkeit eines Teils der Stimmberechtigten gefährdet dieses Privileg ernsthaft, wenn auch nicht kurzfristig.
- Unsere natürlichen Lebensgrundlagen sind begrenzt und nicht beliebig vermehrbar. Die Gleichgültigkeit vieler setzt die Überlebenschancen aller, wenn auch erst diejenigen zukünftiger Generationen, aufs Spiel.
Das Hauptproblem scheint mir die zeitliche Verzögerung der Folgeschäden von Gleichgültigkeit zu sein. Oder anders gesagt: Wie sorgfältig hämmern wir einen Nagel in die Wand, wenn uns der Daumen bei Fehlschlägen erst ein Jahr später schmerzt? Weil wir sie nicht direkt spüren, ist Wissen gefragt – Wissen als Grundlage für unseren Widerstand.
Urs Wüthrich-Pelloli
Präsident der Naturfreunde Schweiz