Das Ende des internationalen «Naturfreund»
1960 endete die Zeit der internationalen Zeitschrift «Der Naturfreund». Die Gründe für das Aus waren vielfältig.

Es mag seltsam erscheinen, dass nach dem Krieg, in hoffnungsvoller Erwartung einer guten Zukunft, ausgerechnet die Frage ‚Zeitschrift Ja oder Nein‘ zum Dauerthema wurde. Dank konstant sorgfältiger Redaktion kann der damalige «Naturfreund» als zuverlässige Quelle und Abbild der internen Vorgänge betrachtet werden. Es gab weder reisserische Titel noch verdächtige Auslassungen durch den immer gleichen Redaktor Albert Georgi, der ja als ’sächsischer‘ Schweizer durchaus eine lokal gefärbte Meinung gehabt haben musste. Mit bewundernswerter Konstanz blieb jedes Heft ein Fundus von Reiseberichten, Hochgebirgserfolgen, Geologie, Naturkunde, Esperanto-Lektionen sowie Kurznachrichten von Ortsgruppen aus aller Welt.
Wer heute Heft für Heft durchblättert, stellt sich die Frage, ob denn die 1950er-Jahre für die Naturfreunde-bewegung wirklich eine heile Welt waren. Erst kleine Unebenheiten in den Mitteilungen lassen das Gegenteil vermuten. Unter dem Dauertraktandum ‚Zeitschrift‘ brodelte es. Die internationale Zentrale war in Zürich, aber in Wien sprach man vom ‚Schweizer Heft‘.1 Die Mitfinanzierung durch Deutschland und Österreich war mangelhaft, sodass in der Schweiz die Finanzierungsfrage zum Dauerthema wurde. Aber es ging um mehr als nur um Geld. 1955 vermutete der Schweizer Landesverband zum Mitgliederrückgang: «[…] dass der heutige Arbeiter finanziell so gestellt ist, dass er sich etwas mehr leisten kann als das Wandern und darum eigene Wege geht.»2
Mag sein, doch es gab weitere Zeichen der Spannung. 1959 wird über den Versuch der ‚Wiedervereinigung‘ der deutschen Naturfreunde berichtet, westdeutsche Jugendliche in die DDR zu schicken und umgekehrt. Aufgrund der Erfahrungen war danach von Propagandamissbrauch die Rede. Der Austausch wurde eingestellt. Zwar waren es kleine Randnotizen, aber sie zeigen, dass der Kalte Krieg die Naturfreunde nicht verschonte. Jack Meyer, Oerlikon, meinte an der DV in Lausanne, dass eine Zusammenarbeit mit Kommunisten so lange nicht möglich sei, wie Naturfreunde, die vormals in KZs der Nazi gefoltert wurden, nun vom Kreml eingekerkert werden.3
Beginn einer grossen Veränderung
Die heile Welt bröckelte, intern wie extern. Das schöne Heft konnte die auseinanderfallende Internationale nicht mehr zusammenkitten. Zur Eröffnung des zweiten NFI-Kongresses seit Kriegsende (1953 in Innsbruck) wies Ernst Moser, der 1934 noch NFI-Lebensretter war, darauf hin, dass schon einmal, 1909, ein Kongress in Innsbruck war, und dass die Naturfreunde sowohl zwei Weltkriege als auch den Wahnsinn eines tausendjährigen Reichs überlebten. Diese Ansprache liest sich heute wie eine resignierende Vorahnung. In der Tat wurde nicht nur das Ende der gemeinsamen Zeitschrift eingeläutet, sondern in der Tiefe auch ein fundamentaler Wandel, der in der Schweiz 1983 mit der Entflechtung von Verband und Partei(-en) in aller Form in den Statuten nachvollzogen wurde. Der Weg dorthin begann sich dreissig Jahre früher abzuzeichnen.