Wächter der Natur – Herausforderungen der 1970er-Jahre
Die 1970er-Jahre waren eine Zeit des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchs: Rezession, Jugendbewegung, Feminismus, aber auch ein neues Bewusstsein für die Dringlichkeit des Umweltschutzes prägten dieses Jahrzehnt – doch über all dem schwebte das Gespenst des Kalten Krieges wie das Schwert des Damokles.

Während des Kalten Krieges wurde der Sozialismus in all seinen Formen im Westen gerne verteufelt. Dennoch hielten die Naturfreunde an den Grundsätzen des freiheitlichen und demokratischen Sozialismus fest und liessen ihn in den Statuten verankert. Sehr zur Freude von Erwin A. Lang, damaliger Redaktor des «Naturfreund»: «Von ihm abzurücken, wäre vergleichbar gewesen mit dem Eintausch des Erstgeburtsrechtes gegen das Linsengericht unverbindlicher Anpassung, oder noch härter formuliert, der ideologischen Kastration.»1
1971 führte die Schweiz als eines der letzten europäischen Ländern das Frauenwahlrecht ein. Im selben Jahr wurden erstmals 11 Nationalrätinnen und eine Ständerätin gewählt. Die Naturfreunde begrüssten diese Entwicklung als längst überfällig, da sie selbst bereits seit 1912 auch Frauen als Mitglieder aufnahmen und die Anliegen der Arbeiterinnenbewegung stets unterstützt hatten2. Die Naturfreunde nahmen diese neue Entwicklung zum Anlass, ihre weiblichen Mitglieder mehr zu integrieren und zu animieren: «Wenn die Frauen mehr als bisher mithelfen beim Pläne schmieden und verwirklichen, wie neuerdings auch im Bundeshaus, kann das nur gut sein. Klopfen wir sie also aus dem Busch, dann kommt Leben in die Bude.» Kurt Mersiovsky, Redaktor «Naturfreund»3
Romandie:
- Einrichtung des «Bureau du comité romand pour la Protection de la Nature»
- «Opération Grangettes»: Reinigung des Seeufers des Genfersees
Aargau:
- Gründung Naturschutzkommission Aargau
- Aargauer Kantonalverband tritt dem Landesverband gegen die Binnenschifffahrt bei
- Zusammenarbeit mit dem aargauischen Bund für Naturschutz zur Erhaltung des Reusstals
Zürich:
- Waldräumungen und Pneu-Sammelaktionen
- Naturschutz-Wimpel
Basel:
- Gründung der Arbeitsgemeinschaft von Natur und Umwelt
- Umweltschutz-Vorträge und Kundgebungen
- Waldräumungen
- Hilfsaktion gegen die Zerstörung des Natur- und Landschaftsschutzgebiets am Isteiner Klotz (D)
Eine aktive Umweltbewegung
In den 1970ern wuchs das Umweltbewusstsein und die Besorgnis über Umweltverschmutzung, Ressourcenverknappung und die rasante Industrialisierung nahm zu.
Gegründet auf den Prinzipien der Naturerholung und der sozialen Solidarität nahmen die Naturfreunde die aufkeimende Umweltbewegung mit Nachdruck auf. Im Jahr 1970, das zum «Internationalen Jahr des Naturschutzes» erklärt wurde, beteiligte sich die Organisation aktiv an verschiedenen Initiativen, von lokalen Säuberungsaktionen am Genfersee bis hin zur Einrichtung regionaler Naturschutzkommissionen.
In den 1970er-Jahren ging eine fast 30-jährige Ära des Wirtschaftswachstums zu Ende. Der weltweite wirtschaftliche Abschwung, der durch Inflation und steigende Energiekosten gekennzeichnet war, beeinträchtigte die Finanzen der Naturfreunde erheblich. 1972 sah man sich gezwungen, die Mitgliederbeiträge massgeblich zu erhöhen. Auch die Vereinszeitschrift blieb von den Sparmassnahmen nicht verschont: Der «Naturfreund» erschien statt wie bisher monatlich nur noch alle zwei Monate, um Versandkosten zu sparen. Tatsächlich liessen sich die Naturfreunde von den finanziellen Rückschlägen nicht beeindrucken und bauten ihr Engagement weiter aus. «Einem wirklichen Naturfreund kann es nicht gleichgültig sein, wie unser Land morgen aussieht.» Nationalrat Anton Muheim, Luzern, am TVN-Kongress (Touristenverein Naturfreunde) vom 15. November 1975 in Luzern.4
Die Naturfreunde und die Raumplanung
Ein wichtiger Schwerpunkt wurde in dieser Zeit das Thema Raumplanung – so wichtig, dass es sogar in die Statuten der Naturfreunde aufgenommen wurde. Die Organisation erkannte die fortschreitende Verstädterung und ihre schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und setzte sich aktiv für eine verantwortungsvolle Flächennutzungspolitik ein. «Das Wort ‹Berg Frei› drückte den Wunsch nach freiem Zugang zur Natur, zu den Wäldern, den Seeufern, den Flüssen und den Berggipfeln aus. […] Heute jedoch ist unser erstes Anliegen nicht die Forderung nach neuem Zugang zu den Naturschönheiten, sondern deren Schutz vor nicht wiedergutzumachender Zerstörung.» Jean Riesen, Zentralpräsident TVN, National- und Staatsrat5
Die Naturfreunde waren massgeblich an der Erhaltung von Seen, Wäldern und anderen sensiblen Ökosystemen beteiligt. Sie setzten sich für strengere Umweltauflagen ein und kämpften für einen freien Zugang zur Natur. Trotz finanzieller Engpässe und politischer Widerstände gelang es ihnen, die Bedeutung des Naturschutzes in der Öffentlichkeit zu verankern und so die Umweltbewegung zu stärken.
Zu den Aufgaben des Vereins (Artikel 3) gehörte neu die «Unterstützung von Bestrebungen der Raumplanung, der Erhaltung und Schaffung sinnvoller Erholungsgebiete, des Natur-, Landschafts- und Heimatschutzes und zum Schutz von Naturdenkmälern».