«Es müsste viel schneller gehen»
Nachdem sich die Katastrophenmeldungen über Hitzewellen und Dürren diesen Sommer gejagt haben, sollte allen klar geworden sein: Wir müssen schnellstmöglich aufhören, das Klima weiter zu erhitzen. […]
Nachdem sich die Katastrophenmeldungen über Hitzewellen und Dürren diesen Sommer gejagt haben, sollte allen klar geworden sein: Wir müssen schnellstmöglich aufhören, das Klima weiter zu erhitzen.
Spätestens 2050 darf die Schweiz netto keine Treibhausgase mehr ausstossen: Das geht als Minimalziel aus dem Pariser Klimaabkommen hervor, das verlangt die Gletscher-Initiative und das hat 2019 auch der Bundesrat zum Ziel erklärt, noch bevor die Gletscher-Initiative eingereicht war. Das Netto-Null-Ziel 2050 ist breiter Konsens.
Aber wie soll es erreicht werden? Die Gletscher-Initiative fordert ein Verbot fossiler Energie als die logische Konsequenz aus dem Netto-Null-Ziel. Denn nur wenn kein fossiler Kohlenstoff verbrannt wird, gelangt auch kein CO2 in die Atmosphäre. Theoretisch kann man zwar weiterhin fossilen Kohlenstoff verbrennen und das dabei anfallende CO2 anschliessend wieder aus der Atmosphäre holen – aber das wäre energetisch wie ökonomisch unsinnig.
Doch ein Verbot ist politisch umstritten. Der Nationalrat hat deshalb im Juni einen Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative auf Gesetzesebene beschlossen; der Ständerat wird in der Herbstsession darüber beraten. Mit diesem Gesetz soll es möglich bleiben, die Emissionsziele durch das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre oder durch sogenannte «Kompensationen» im Ausland zu erreichen – aber nur, soweit es technisch oder wirtschaftlich nicht anders geht. Diese Bestimmung kommt einem Verbot sehr nahe, denn die fossilen Energien zu ersetzen, ist längst möglich und wirtschaftlich wäre der Umstieg auf erneuerbare Energien vorteilhaft.
Ein Gegenvorschlag auf Gesetzesebene ist konkreter als eine Volksinitiative auf Verfassungsebene, die erst noch konkretisiert werden müsste. Das vom Nationalrat verabschiedete Gesetz will den Ersatz von Öl- und Gasheizungen mit insgesamt 2 Milliarden Franken über zehn Jahre fördern und sieht vor, dass Unternehmen mit Fahrplänen aufzeigen, wie sie ihre Emissionen auf netto null senken. Tun sie das, können sie von weiteren 1,2 Milliarden Unterstützung für neuartige Technologien und Prozesse profitieren.
Genügt das alles? Gerade nach dem Hitzesommer 2022 und auch aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse muss man sagen: Es müsste viel schneller gehen. Doch der Gegenvorschlag wäre ein wichtiger Schritt. Die Unternehmensfahrpläne haben das Potenzial, strukturelle Veränderungen auszulösen, die den Ausstieg aus den fossilen Energien beschleunigen.
Die Umweltkommission des Ständerats empfiehlt den nationalrätlichen Gegenvorschlag zur Annahme, will aber die Förderung des Heizungsersatzes reduzieren. Damit schwächt er ein im Ansatz gutes Gesetz. Das Initiativkomitee wird die Vor- und Nachteile nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen genau abwägen, um über einen allfälligen Rückzug der Gletscher-Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zu entscheiden. Sicher ist aber so oder so: Beendet ist der Kampf gegen eine katastrophale Klimaerhitzung weder mit der Gletscher-Initiative noch mit dem Gegenvorschlag.