Pioniere des Skisports
Seit ihrer Gründung nahmen die Naturfreunde eine entscheidende Rolle in der Demokratisierung und Popularisierung des Skisports ein. Ihr Engagement für soziale Gerechtigkeit und ihre tiefe Verbundenheit mit der Natur haben den Wintersport in der Schweiz nachhaltig geprägt.
Lange Zeit war der Skisport nur etwas für die privilegierten Bevölkerungsgruppen. Für die Naturfreunde war es daher ein Bedürfnis, den Wintersport für alle zugänglich zu machen – unabhängig von sozialer Herkunft und Einkommen. Durch die Vermietung von Equipment und günstige Angebote für Transport und Logis wurde es auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln möglich, den Winter in den Bergen zu geniessen.
Von Anfang an verstanden sich die Naturfreunde nicht nur als Anbieter von Freizeitaktivitäten, sondern auch als Bildungsinstitution. In den eigens gegründeten Skischulen wurden daher nicht nur die technischen Aspekte des Skifahrens vermittelt, sondern auch ein tieferes Verständnis für die Natur der Berge. Die Verbindung von Sport, Natur und Gemeinschaft war ein zentraler Bestandteil ihrer Philosophie.
Unsere Freunde übten in Zürich abends in der Zürcher Reithalle im Sägemehl das Gehen im Schnee, das Biegen und Drehen und Schwingen, so gut es möglich war, um dann am Sonntag im Schnee weiter zu üben.
Erinnerungen von Albert Georgi, Redaktor «Naturfreund» und ab 1934 Landobmann, anlässlich des Abschieds von Walter Liebherr 1978. Walter Liebherr war einer der ersten Ski-Instruktoren des Landesverbands.
Die Eroberung des Skisports
In den 1920er-Jahren begannen viele der grösseren Naturfreunde-Sektionen damit, Skitouren und Skikurse anzubieten. Ein Teil der Ausbildung waren die sogenannten «Trockenkurse», in welchen die Teilnehmenden die Grundtechniken mitten in der Stadt trainieren konnten.
1929 begann der Landesverband Ski-Instruktor:innen auszubilden. Damit sicherte er nicht nur die Qualität der Ausbildung, sondern auch deren Kontinuität. Dies war auch der Startschuss für das umfangreiche Kurswesen, welches die Naturfreunde bis heute so attraktiv macht. Nicht nur die Skikurse, sondern auch die vielen alpinen Naturfreundehäuser lockten zahlreiche neue Mitglieder an.
Ab 1930 organisierte Mathis Margadant aus der Zürcher Ortsgruppe jedes Jahr über Ostern ein grosses Skilager. Diese Lager boten eine günstige Möglichkeit, den Zauber der Schweizer Berge im Winter zu erleben und erfreuten sich daher grosser Beliebtheit. 1934 waren es im bündnerischen Tschiertschen bereits 130 Teilnehmer:innen. Damit hatten die Organisierenden die Kapazitäten der meisten Naturfreundehäuser ausgeschöpft und es mussten neue Lösungen her.
Die Tourenleiter sollen nicht nur (wie die üblichen Bergführer) Weg und Steg kennen, sondern auch über Wirtschaft, Politik, Geologie, Pflanzen- und Tierwelt ihres Gebietes Auskunft geben können und freundschaftliche Beziehungen zur Bergbevölkerung pflegen.
Mathis Margadant, Leiter Kurswesen, 1944
1930 hatte die Weltwirtschaftskrise auch die Schweiz erreicht und in den folgenden Jahren kam der Tourismus praktisch zum Erliegen, was dazu führte, dass viele Pensionen und Hotels leer standen. Margadant überredete deren Besitzenden, ihre Tore für die heimischen Arbeiter:innen zu öffnen und Massenquartiere einzurichten. Diese ungewöhnliche Idee erwies sich als durchschlagender Erfolg. Weiter verbilligt wurden die Lager durch Kollektivbillette. 1936 stellte die SBB sogar erstmals einen Extrazug, um die vielen Naturfreund:innen in die Berge zu bringen.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Situation für die krisengeschüttelte Tourismusbranche weiter. Auch die touristische Hochburg Zermatt litt unter dem resultierenden Leerstand. Und so kam es, dass über Ostern 1941 rund 460 schneebegeisterte Naturfreund:innen das Wintersportparadies der Schönen und Reichen in Beschlag nahmen. Der prestigeträchtige Zermatterhof wurde kurzerhand zum Massenlager umfunktioniert. Theo Pinkus, Mitorganisator der Skilager und Vorreiter des Volkstourismus, bezeichnete diese Eroberung Zermatts später als «Demonstration des Proletariats». Diese Art des Massentourismus war bei den Naturfreunden allerdings höchst umstritten, da er den Werten des Vereins grundsätzlich widersprach.
Der Skisport im Wandel
In den 1950er-Jahren vollführten die Naturfreunde eine entscheidende Kehrtwende in ihrer politischen Ausrichtung, was sich auch auf den Skisport und das Kurswesen im Allgemeinen auswirkte. Die enge Verbundenheit mit der Arbeiterbewegung wurde aufgegeben und aus dem Vereinsprogramm gestrichen, um eine breitere Anerkennung in der Gesellschaft zu erlangen.
Mit diesem Schritt traten die Naturfreunde aus der politischen Isolation hinaus und auf die grossen «bürgerlichen» Strukturen zu: Sie knüpften enge Kontakte zu etablierten Sportverbänden wie dem Schweizer Alpen-Club (SAC) und dem Schweizerischen Verband für Leibesübungen (SLL). Das Kurswesen wurde daraufhin stetig weiter systematisiert und professionalisiert. Die hohe Nachfrage nach Skikursen führte dazu, dass der Verband zu einer Art Fachstelle für Skileiter:innen und -instruktor:innen aufstieg. In den 1960ern und -70ern waren die Naturfreunde für ihre Skischulen weitherum bekannt und besonders bei Jugendlichen sehr beliebt. Selbst der Bund war auf den Verband aufmerksam geworden und integrierte diesen aktiv in der Förderung von Jugend und Sport. Die Skischulen waren für viele Mitglieder der erste Kontakt mit den Naturfreunden und somit einer der Hauptgründe, warum sie dem Verein beitraten. Die Skikurse der Naturfreunde waren nicht nur ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Vereins, sondern prägten auch ganze Generationen von Wintersportler:innen.
Quelle: Schumacher, Beatrice: 100 Jahre Naturfreunde Schweiz – engagiert unterwegs. (2005)