Wertvolles Dunkel schaffen
Lichtverschmutzung ist ein gravierendes Problem, das Pflanzen, Tieren und den Menschen schadet. Die Lösung dafür ist jedoch – wenig überraschend – ganz schlicht und einfach. Man muss nur wollen.
Wenn ums Naturfreundehaus die letzten Stimmen verstummt sind, das Lagerfeuer gelöscht ist und die Nachtruhe einkehrt, streifen Tiere durch ihren Lebensraum, der nicht uns gehört. Rotwild, Fuchs, Dachs, Igel, Maus und weitere flinke Säugetiere oder Vögel können vor die Linse einer Wildtierkamera geraten. Die Nacht lebt mehr als der Tag! Die Mehrheit aller Tiere ist nämlich nachtaktiv. Das ist modernen Menschen nicht bewusst, da wir selbst am Tag aktiv sind und nachts drinnen schlafen.
Die nachtaktiven Tiere nutzen die Nacht – genauso wie tagaktive Tiere den Tag – für die Nahrungssuche und das Fressen, für Verdauung und Ausscheidung, für die Partnersuche und Fortpflanzung sowie für die Geburt und Aufzucht ihrer Jungtiere.
Die meisten Tiere sind in der Dämmerung unterwegs. Das natürliche Licht ändert sich in diesem Moment am schnellsten und das regelt bei allen Tieren Hormone und aktiviert den Kreislauf oder ermüdet sie. Dann sind auch am meisten Nahrungstiere unterwegs.
Wer z. B. Insekten oder Schnecken isst, hat jetzt das grösste Angebot. So kommt der Igel vor allem in der Dämmerung aus seinem Versteck. Er schützt sich mit seinen Stacheln vor Feinden. Viele Nachttiere sind verletzlich, wollen von ihren Jägern nicht gesehen werden und meiden das Licht stärker als sie. So wählen Fledermäuse immer den dunkelsten Flugweg im Schatten von Bäumen, Hecken und Scheunen, damit Eulen sie nicht sehen und ergreifen können. In der Schweiz gibt es dreissig bekannte Fledermausarten. Nur vier davon sind einigermassen lichttolerant, sodass sie eine beleuchtete Strasse überfliegen oder sogar Insekten jagen, die um die Lampen herumschwirren. Sie sind sehr flink, können im Zickzack fliegen, während diejenigen, deren Flügel sie zu Seglern macht und die deshalb langsamer fliegen müssen, das Licht meiden.
DarkSky Switzerland ist unabhängiges Mitglied von DarkSky International und nimmt sich in der Schweiz des Problems der Lichtverschmutzung an. DarkSky Switzerland ist ein unabhängiger Verein nach Schweizerischem Recht und politisch und konfessionell neutral.
Mit Dunkelheit gegen das Insektensterben
Im Wasser finden wir Fische, die das Licht meiden wie die Fledermäuse – vom Raubfisch nicht gesehen zu werden, schützt ihr Leben. So stellen z. B. durch Brücken beleuchtete Gewässer Lichtbarrieren unter Wasser dar.
Die Grossen Leuchtkäfer, auch Glühwürmchen genannt, brauchen Feuchtwiesen und ernähren sich von Schnecken. Sie können sich nicht fortpflanzen, wenn ihr Lebensraum beleuchtet wird. Die Leuchtkäfermännchen brauchen das Lichtsignal vom -weibchen, um es im hohen Gras zu finden.
Sogar im eigenen Garten vertreiben wir kleine Krabbeltiere, wenn wir beispielsweise Solarlampen aufstellen. Die Gliederfüssler sind Nahrung für Spinnen und Spinnen sind Nahrung vor allem für Vögel. Weniger Licht im Garten verbindet diese Nahrungskette.
Und was in der Nacht passiert, wirkt sich auch auf den Tag aus. So konnten Forschende zeigen, dass viele Fliegen, Käfer und Nachtfalter an die Lichtquellen fliegen, statt Blumen zu bestäuben. So vermehren sich diese Blumen weniger gut, was am Tag den Bienen und Schmetterlingen schadet.
Die meisten Zugvögel lassen sich bei schlechtem Wetter durch Lichtquellen anlocken oder ablenken, denn dort, wo es heller scheint, suchen sie den Mond, also freie Sicht. So verirren sich die Tiere manchmal in den Lichtglocken grosser Städte oder schlagen ungebremst in Hochhäuser oder andere hell erleuchtete Fassaden.
Für sehr viele Tierarten sind Insekten eine wichtige Nahrungsquelle. Insekten sind durch Siedlungsdruck, Pflanzenschutzmittel und Klimawandel bereits bedroht, aber Lampen stellen eine Lichtfalle dar, sodass viele daran erschöpft sterben, oder von Spinnen gefressen werden.
Wird eine Lichtquelle im Wald aufgestellt, zieht sie viel mehr Insekten an als in Siedlungsnähe. Forschungen zeigen, dass die Sichtbarkeit aus der Ferne eine Rolle für die Anziehung spielt und die Helligkeit. Aber auch die Lichtfarbe sei wichtig, sagen führende Ökolog:innen, denn die meisten Tieraugen sind empfindlicher für ultraviolettes, blaues oder grünes Licht, während nur wenige die warmen Töne wie Gelb, Orange oder Rot wahrnehmen. Rotes Licht dient vermutlich den Menschen mehr, als es Nachttiere stört.
Auch Pflanzen sind teils farbenblind, sie sehen ihr eigenes Blattgrün nicht, sondern nur Rot und Blau. Darum schimmern Gewächshäuser, seit es Leuchtdioden gibt, meist pink.
Der Regionale Naturpark Gantrisch erhielt im März 2024 für seine dunkle Zone im südlichen Teil des Parks das Label «Dark Sky Park» mit dem Namen «Gantrisch Dark Sky Zone» verliehen – als erstes und einziges Gebiet in der Schweiz. Der Förderverein Region Gantrisch hat in Absprache mit den Parkgemeinden im Jahr 2018 eine 104,7 km2 grosse Schutzzone definiert. In diesen Gebieten gelten seither besondere Bestimmungen für Beleuchtungen, welche der Förderverein gemeinsam mit den Parkgemeinden erarbeitet hat.
Licht löschen für eine bessere Sicht
Neben der Wirkung auf die Natur schaden wir mit immer mehr Licht dem Anblick der Nachtlandschaft. Naturfreundehäuser stehen an Orten, die noch gut aus den Städten erreichbar sind, aber doch etwas Weitsicht ermöglichen. Gerade von dort aus muss man nicht weit gehen, um in der Nacht die Aufhellung am Horizont zu erkennen. Trotzdem hat man bereits einen besseren Blick auf die Sterne, als um das eigene Haus im Mittelland.
Das Sternenlicht hat uns Menschen kulturell viel beigebracht: Wie wir auf der Erde navigieren, aus welchem Material wir entstanden sind, wie lange wir auf diesem Planeten überleben können und wie schwierig es ist, auf den Mond, durch das Sonnensystem, geschweige denn durch das Universum zu reisen. Trotzdem hellen immer mehr Lichtquellen künstlich die Nacht und den Himmel auf. Sogar unter den Sternen nehmen die leuchtenden Punkte durch tausende Satelliten zu, welche das ruhende Bild des Himmels, wie wir es bis anhin kennen, in den nächsten Jahren kaputt machen werden. Früher waren vereinzelte Flugzeuge und Satelliten sichtbar, jetzt ist es ein Gewusel, ausser im Erdschatten und in tiefen Winternächten, wenn kein Sonnenstrahl die Satelliten beleuchtet. Satelliten tragen zwar nur etwa 10 Prozent zur Lichtverschmutzung bei – viel grösser ist unser direkter Beitrag auf der Erde – aber wir fühlen uns beinahe machtlos gegenüber diesem funkelnden Anblick, der durch Milliardäre angefacht wurde.
So verlieren wir den Bezug zu einem unglaublich tollen Anblick, der das ungetrübte All uns bietet, wenn wir in einer wirklich mondlosen, klaren Nacht abseits von Siedlungen nach oben gucken. Es haut einen fast um, wenn die Sterne zum Greifen nah sind. Das Verrückte ist, wir alle könnten diesen Anblick wiederhaben, wenn wir mehr Lichter löschen würden. Denn der Himmel ist auf der ganzen Welt schön anzusehen. Es ist die Atmosphäre, die das Licht streut, das wir aus Millionen Lampen gleichzeitig direkt oder indirekt in den Himmel senden, sodass wir ihn weniger gut sehen.
Wenn Licht, dann warmes
Das viele Licht kann auch Einfluss auf unsere Gesundheit nehmen. Wenn wir uns vorstellen, dass wir am Tag schlafen müssten, mögen wir das nicht. Wir sind zu wenig müde bei Tageslicht. In einem abgedunkelten Zimmer kann es eher gelingen, einzuschlafen.
Deshalb brauchen wir genügend Dunkelheit für einen gesunden Schlaf, Tageslicht weckt uns, weil es einen hohen Blauanteil enthält, bei rotem Licht könnten wir gut schlafen, bei blauem ungenügend. Ein Nachtlicht für Kinder oder Erwachsene, die es brauchen, sollte daher möglichst rot oder warm sein, sicher nicht blau. Wenn man keine Angst hat, im Dunkeln zu schlafen, ist es besser, alle Lichtquellen aus dem Zimmer zu entfernen, abzudecken oder zu löschen.
Das Handy sollte nicht vor dem Einschlafen benutzt werden. Meistens schläft man verzögert ein, wenn man noch weisses Licht konsumiert (weil es Blau enthält). Darum gibt es den Nachtmodus, um das blaue Licht zu reduzieren.
Mit wenig Aufwand viel erreichen
Wir können das Problem der Lichtverschmutzung viel leichter lösen als andere Umweltprobleme. Das Bundesamt für Umwelt BAFU hat einen Sieben-Punkte-Plan erarbeitet, wie man Licht besser planen und nutzen kann. Basieren tut er auf dem Umweltschutzgesetz und den Lichtnormen. Licht ist für den Alltag und die Lichtplanung recht einfach zu berechnen, denn jeder Lichtstrahl fliegt schnurgerade von der Quelle in die vorgegebene Richtung. Wenn der Lichtstrahl aber kein Hindernis trifft, stellt die Atmosphäre ein mögliches Hindernis dar, denn ein Teil der winzig kleinen Wassertröpfchen (Luftfeuchtigkeit) oder grösseren Tropfen (Nebel, Wolken) reflektiert das Licht. Darum nehmen die Wolken in der Nacht die Farben der Lichtquellen an. Auch das Gas in der Luft streut Licht. Weil das bei hoher Intensität häufiger geschieht, als bei wenig Licht, wird die Luft am Tag fast undurchsichtig himmelblau, in der Dämmerung blau-grün-gelb-orange-rot-pink, bei Mondschein halbdurchsichtig blaugrau und bei Neumond ziemlich klar (sehr schwaches kupferrot, für unsere Augen unsichtbar, darum einfach dunkel).
Wenn wir nachts sehr viele Lichtquellen haben, erzeugen wir in der Luft eine künstliche Dämmerung. In den Städten ist die Luft darum heller als bei Mondschein.
Was schlägt der Sieben-Punkte-Plan des BAFU vor? Interpretation für zuhause.
- Notwendigkeit: «Nur beleuchten, was beleuchtet werden muss.»
Stört eine Lampe mehr, als sie nützt? Dann entsorgen wir sie.
- Intensität/Helligkeit: «Nur so hell beleuchten, wie nötig.»
Die Lumen, die wir kaufen, passen wir dem Zweck an oder wir dimmen. 800 Lumen reichen bei Standard-Deckenhöhe. Hängt die Lampe tiefer, halbieren, falls höher, verdoppeln.
- Lichtspektrum/Lichtfarbe: «Sorgfältige Wahl des verwendeten Lichtspektrums.»
Die Lichtfarbe, die wir für draussen kaufen, ist immer warmweiss. Zum Schutz der Artenvielfalt unterschreiten wir 2200 Kelvin (Empfehlung DarkSky) oder 2700 Kelvin (Empfehlung BAFU).
- Auswahl und Platzierung der Leuchten: «Beleuchtung präzise und ohne unnötige Abstrahlungen in die Umgebung.»
Nur die Flächen beleuchten, auf denen das Licht Sinn macht und nicht daneben.
- Ausrichtung: «Grundsätzlich von oben nach unten beleuchten, präzise ausrichten.»
Im Aussenraum voll gedeckelte, gut abgeschirmte Leuchten wählen.
- Zeitmanagement/Steuerung: «Die Beleuchtung bedarfsgerecht steuern und zeitweise ausschalten oder reduzieren.»
Licht richtig nutzen heisst, es brennt nur bei Bedarf. Hochwertige Zeitschaltuhren oder Sensoren einbauen.
- Abschirmungen: «Zusätzliche Abschirmungen in spezifischen Problemfällen.»
Hersteller und Verkaufsgeschäfte bieten Abschirmungen an für eine gute Nachbarschaft.
Nun wünschen wir allen Naturfreund:innen eine gute Nacht, wenn der Igel aus dem Unterholz schnauft und das Käuzchen aus dem Wald ruft. Und wer vor kurzem noch am Lagerfeuer sass und nicht ins Bett will, soll ein paar Schritte tun und in die Sterne gucken, vielleicht belohnt eine Sternschnuppe unseren Wunsch nach mehr naturnaher Dunkelheit.