Auf Tourenski durch die Oberländer
Das Berner Oberland ist das grösste der neun Oberländer der Schweiz. Seine Fläche übertrifft gar diejenige von Bündner, Urner und St. Galler Oberland zusammen. Entsprechend hoch sind in diesen vier Gebieten die Zahl der (Ski-)Gipfel. Da reichen nicht mal zehn Winter, um nur schon die schönsten Touren zu machen. Wir stellen drei weniger bekannte vor und einen Klassiker. Es ist der Skitouren-Reise quer durch die Schweiz zweiter Teil.
Der Chemispitz (1814 m) sollte nicht an einem Donnerstag angegangen werden. Bei Regenwetter aber liegt eine Besteigung drin. Dann verpasst man zwar die Aussicht auf Rhein- und Taminatal vom Kaminspitz (so hiess der Gipfel auf dem langen Nordgrat des Calanda früher). Doch die Tour weist ohnehin viele Waldpassagen auf, da kann man auch bei Hudelwetter um die Stämme spuren und kurven. Das eigentliche Ziel ist nämlich ein anderer Kamin: derjenige des Buura Beizli unten im Hochtal des St. Margrethenberges. Was Susi Blöchlinger-Wyss mit ihrer Familie in der Stube bereithält und auftischt, erinnert ans Schlaraffenland. All diese leckeren selbstgemachten Sachen, diese Konfitüren, dieser Speck und diese Bündner Nusstorte (im St. Gallischen!). Dazu Grischuner Geissmilch, Munggafurz, Quittengipfel und -schnaps. Und viel mehr, alles echt und guet und liebevoll zubereitet. Ein Gourmet-Familienunternehmen. Wer da vom Freitag bis Mittwoch hungrig vom Tisch geht, ist selbst schuld.
Tour: Eine chüschtige Tour im versteckten Hochtal zwischen Taminatal und Bündner Herrschaft.
Daten: WS+. Rund 650 m Aufstieg; mit Skilift-Hilfe 250 m weniger. Abfahrt zum Buura-Beizli 550 m, dann 1,5 km flach zurück nach Furggels; Abfahrt auf der Aufstiegsroute nicht lohnenswert. 2.30 Std. Gehzeit.
Einkehr/Unterkunft: Buura Beizli, St. Margrethenberg, Ortsteil Höf (ca. 1260 m); Restaurant, Zimmer und Touristenlager, offen von 11 bis 18 Uhr, Donnerstag Ruhetag, Tel. 081 302 28 15, www.buura-beizli.ch.
Start- und Endpunkt: St. Margrethenberg, Dorf (ca. 1195 m); Postauto von Bad Ragaz über Pfäfers.
Route: St. Margrethenberg – Skilift-Bergstation (ca. 1457 m) – 2,5 km N-Grat mit Wald, Gegensteigungen und schmalen Passagen, am besten dem Sommerweg folgen, bis zur Alp Maton (1754 m) – über den Nordhang in Lichtungen zur Grenzmauer der Kantone SG/GR – ihr entlang evtl. zu Fuss zum Chemispitz (1814 m). Zurück zur Alp Maton – 200 Meter nördlich davon, nach einem Abbruch auf der Ostseite, hinein in den NE-Hang (32°auf 140 Hm) – an einzelnen Tannen vorbei zum Waldrand und zum tiefsten Punkt desselben – weiter durch eine schmale Waldschneise – sobald als möglich nach links – über die offenen Hänge der Grueberallmeind linkshaltend, eine Alpstrasse querend, zum Buura Beizli in Höf.
Variante: Wer mit dem PW unterwegs ist, parkiert am Südende (1316 m) des Hochtals von St. Margrethenberg, steigt via P. 1412 durch die rechtsverbindliche Wildruhezone Chimmiwald sowie über Marola und Hirzenboden auf den Hauptgipfel des Zweienspitz (1858 m), fährt nach Bärenfallen (1656 m) ab und steigt nach Maton auf. Insgesamt auch hier viel Wald.
Karte/Führer: 247 S Sardona; 1175 Vättis. Eggenberger: Skitouren Graubünden Nord, SAC Verlag 2015.
Info: www.stmargrethenberg.ch
Chimmispitz. Kurzer Abstieg vom Gipfel entlang der Mauer.
Foto: Daniel AnkerSteil bergauf und steil bergab
Der Piz Ault (2479 m) auf der östlichen Begrenzung des Tals zwischen Disentis und dem Lukmanierpass wartet mit einem gut 1000 Meter hohen Westhang auf – die ideale Skitour für Spätaufsteherinnen. Oder für Spätstarter, die aus dem Tiefland anreisen mussten. Fuorns, das oberste Dorf im Val Medel, liegt noch im März am Morgen lange im Schatten, und so richtig in die Sonne kommt man erst auf der Alp Puzzetta Sut, wo moderne, bordeauxrote Alpgebäude einen ganz besonderen Akzent setzen. Weiter gehts über steile Hänge ununterbrochen in die Höhe: Wer da auf hartem Frühlingsschnee ohne Harscheisen aufsteigen will, wird ordentlich Kanten- und Stockeinsatz geben müssen. Oben auf dem S-Gipfel des Piz Ault sagt ein Steinmann «Bien di». Allzu lange können wir aber nicht bei ihm verweilen und die Aussicht, vor allem diejenige auf die Medelser-Skihänge, geniessen. Der Westhang wartet doch, Schwung an Schwung an Schwung will erlebt werden – ein Hochgefühl sondergleichen, wenn Schneeverhältnisse und Oberschenkelmuskeln mitmachen. Bei Bruchharsch hingegen – aber wer geht dann schon auf diesen Piz Ault?
Tour: Abfahrtsgenuss pur an diesem Piz Ault in der Surselva; insgesamt gibt es dort drei Piz Ault. Die tiefste (2454 m) dieser hohen Spitzen ist ebenfalls ein Top-Skiberg.
Daten: ZS. 1030 m Aufstieg und Abfahrt. 3 Std. Gehzeit.
Einkehr/Unterkunft: In Curaglia und Disentis.
Start- und Endpunkt: Fuorns Medel (ca. 1454 m); Postauto von Disentis.
Route: Fuorns – nördlich der Siedlung zum Wasserreservoir – baumdurchsetztes Gelände über Peinzas nach Puzzetta Sut (ca. 1860 m) – links um Wald herum – über den bis gut 35°steilen Westrücken, die Schwachstellen ausnützend, zum Gipfelsteinmann auf dem S-Gipfel des Piz Ault (2479 m). Abfahrt wie Aufstieg.
Karte/Führer: 256 S Disentis/Mustér; 1233 Greina. Eggenberger: Skitouren Graubünden Nord, SAC-Verlag 2015; Pröttel: Surselva, Rother Skitourenführer 2016.
Info: www.valmedel.info
Für die Surfer unter den Skifahrenden
Das Rottällihorn (2914 m) wird von zwei Fliessgewässern umrahmt, deren Namen bestens bekannt ist: Reuss. Im Urner Oberland und insbesondere in seinem südlichen Teil, der Urseren, trägt fast jeder Bach diesen Namen, der sich aus dem französischen ruisseau ableitet. Da sprudeln die Gotthard-, Unteralp-, Oberalp-, Furka-, Mutten- und Witenwasserenreuss in den flachen Talboden. Zwischen beiden letztgenannten spielt sich die Tour aufs Rottällihorn ab. Kein auffälliger Gipfel, dafür einer mit schier endlosen nordseitigen Hängen. Nichts wie hin, solange dort noch nicht aller Schnee in den bei Wassersportlern sehr beliebten Urnersee abgeflossen ist. Wer sagt jedoch, dass Skifahren schöner ist als Surfen?
Tour: Anstatt auf den oft zur Piste ausgefahrenen Stotzigen Firsten, dem beliebtesten Skitourenziel ob Realp zu bleiben, geniesst man am Rottällihorn breite, kaum verspurte Nordhänge.
Daten: WS+. 1380 m Aufstieg und Abfahrt. 4.30 Std. Gehzeit.
Einkehr/Unterkunft: In Realp, Hospental und Andermatt.
Start- und Endpunkt: Realp (1539 m); Bahnlinie Brig–Andermatt
Route: Realp – Strasse auf dem linken Ufer der Furkareuss – Brücke (1603 m) – Fahrstrasse bis Hinterschweig – Steg über die Muttenreuss – auf dem Hüttenweg zur Rotondohütte bis Oberchäseren – westwärts zum Stelliboden – in südwestlicher Richtung zum NE-Grat des Rottällihorns, den man oberhalb P. 2821 betritt – über den felsdurchsetzten Grat mit Ski bis zum Gipfel (2914 m). Abfahrt wie Aufstieg. Bei besten Verhältnissen vom Gipfel direkt über die gut 40°steile NE-Flanke.
Variante: Abfahrt via Rottällipass zur Rotondohütte SAC (2567 m) und anderntags via Gross Läckihorn, Blaubergpass und Tällistock N-Gipfel nach Oberwald.
Karte/Führer: 255 S Sustenpass, 265 S Nufenenpass; 1231 Urseren, 1251 Val Bedretto. Maier: Skitouren Zentralschweizer Voralpen und Alpen, SAC Verlag 2015.
Info: www.realp.ch
Die Tour für Geniesser und Geniesserinnen
Das Faulhorn (2680 m) gehört zu den ersten Skibergen der Welt, wie einer Notiz aus der Zeitschrift «Alpiner Wintersport» vom 12. Februar 1904 zu entnehmen ist: «Am Sonntag, den 31. Januar, bestiegen zwei Mitglieder des Skiclubs Bern bei herrlichstem Wetter auf Skiern das Faulhorn. Der Aufstieg war von Grindelwald aus in 5 Stunden mühelos zu bewerkstelligen. Von Frau Bohren, der Wirtin des Faulhorn-Hotels freundlich empfangen und sehr gut bewirtet, trat man die Abfahrt über den Bachsee und die Grindelalp an. Dieselbe ist höchst genussreich und ist überhaupt das Faulhorn als grössere Skitour sehr zu empfehlen.» Noch genussreicher ist die Abfahrt auf die Bussalp – und bei genügend Schnee gar noch weiter hinab nach Schwendi. Felle braucht es übrigens nicht unbedingt für den Aufstieg, da ein gepfadeter Winterwanderweg bis aufs Faulhorn führt; Skis auch nicht fürs Abfahren, da vom Gipfel ein 15 Kilometer langer Schlittelweg zurück nach Grindelwald führt … Und: Leider ist das Berghotel im Winter nicht mehr offen. Aber wer macht schon eine Skitour, nur um einzukehren?
Tour: S wie Süden, S wie Sonne, S wie Sulz – oder P wie Pfludi. Und manchmal auch G wie Gras, jedenfalls ab der Bussalp. Am Faulhorn ist man nie zu früh, nur häufig zu spät.
Daten: L+ bis zur Bussalp, WS für die zweite Hälfte der Abfahrt nach Schwendi. 600 m Aufstieg und 80 m Abfahrt von First zum Faulhorn; 880 m Abfahrt auf die Bussalp, 1760 m Abfahrt nach Schwendi. 2 Std. Gehzeit. Von der Bussalp fährt man nicht immer in der Nähe des Schittelweges ab; man muss sich oft einen eigenen Weg durch Waldlichtungen und Zaundurchlässe suchen.
Einkehr/Unterkunft: Grindelwald, First und Bussalp.
Start- und Endpunkt: Vom Bahnhof Grindelwald in 15 Min. durchs Dorf zur Talstation der Gondelbahn nach First (2165 m). Bussalp (1797 m); Bus nach Grindelwald. Schwendi (ca. 920 m) an der Bahnlinie Interlaken Ost–Grindelwald.
Route: Bergstation First – auf dem Winterwanderweg bei Adi’s Skibar vorbei zum Steg (2273 m) über den Wyssbach – auf dem Weg mit Gegenanstiegen flach zum Bachsee (2266 m) – Ostufer – Burgihitta – Gassenboden – Berghotel – Faulhorn (2680 m). Zurück zum Gassenboden und über S- und SW-Hänge auf die Strasse östlich Bussalp-Mittelläger (1797 m) mit Restaurant und Bus-Endstation; verschiedene Routen möglich, je nach Sonnenstand und Schneebeschaffenheit, normalerweise leicht rechtshaltend. Von der Bussalp via Uriboden nach Unterläger – linkshaltend nach Im Gaihoren – durch breite Schneise hinab – auf Waldweg zur Lichtung In Matten (1365 m) – an deren Südostecke über die Brücke beim Abbachfall auf einen Geländerücken unterhalb Furen – auf ihm oder auf dem Rücken östlich davon durch die Streusiedlung und über einige Zäune hinab zur Bahnstation Schwendi.
Karte/Führer: 254 S Interlaken; 1229 Grindelwald. Maier: Skitouren Berner Oberland Ost, SAC Verlag 2016. Anker: Berner Oberland, Rother Skiführer 2016.
Info: www.grindelwald.swiss; www.berggasthausfirst.ch; www.huettenzauber.ch