Gesundbrunnen Kältebad?
Kältebäder gelten als gesund. Was ist dran an den grossen Versprechen und am Hype ums Bad in der Kälte? Ein Selbstversuch.
Für immer mehr Menschen gehören zu den favorisierten Winteraktivitäten auch Bäder in kaltem Wasser. Ist dieses Wasser zwischen 5 und 12 Grad kalt, spricht man dabei von einem Kälte-, unter 5 Grad von einem Eisbad. Kalte Bäder erfreuen sich grosser Beliebtheit – und es werden ihnen diverse positive Effekte auf die Gesundheit nachgesagt. So sollen sie etwa das Immunsystem stärken, Stress abbauen, gegen Depressionen und beim Abnehmen helfen. Doch die Studienlage zu diesem Thema ist dünn, die Proband:innen sind wenige und wie immer gilt bei Studien, die sich mit dem Körper befassen, dass viele Einflüsse nicht kontrolliert werden können. Man kann also beispielsweise nur schwer sagen, ob eine Person gesünder ist, weil sie regelmässig kalt gebadet hat oder ob sie sonst etwas für ihre Gesundheit getan hat, wie beispielsweise gesünder essen, mehr Sport treiben oder Stress verbannen. Oder dass sie einfach rein zufällig weniger oft Viren und anderen Krankmachern ausgesetzt war.
Unbestritten ist, dass kalte Bäder Hormonausschüttungen auslösen. Zuerst reagiert der Körper mit den Stresshormonen Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin auf die Kälte und wenn er realisiert, dass er ausser Gefahr ist, mit den Glückshormonen Dopamin und Beta-Endorphine. Dopamin gilt als Süchtigmacher und kann eine Erklärung sein dafür, warum viele nach dem ersten kalten Bad immer wieder ins eisige Nass steigen. Die Kälte kurbelt ausserdem die Durchblutung an. Für manche Menschen hat dies einen aufputschenden Effekt, für andere einen beruhigenden. Insgesamt können diese körperlichen Vorgänge das subjektive Empfinden positiv beeinflussen und es gibt durchaus auch Hinweise auf gesundheitliche Nutzen. Diese werden aber auch gemessen, wenn man anderen körperlichen Betätigungen nachgeht, inklusive dem Baden in warmem Wasser.
Einen eindeutigen und objektivierten positiven Einfluss auf die Ruheherzfrequenz, den Blutdruck oder das Immunsystem durch Eisbäder kann die Wissenschaft ausserdem bis anhin nicht nachweisen. Wenn sich Menschen nach dem Genuss von kalten Bädern aber besser und gesünder fühlen, dann hat das tatsächlich einen Effekt auf ihre Gesundheit, selbst wenn er sich nicht messen lässt.
Ein Heilsversprechen des Kältebads kann die Wissenschaft aber tatsächlich bestätigen. Unter dem Einfluss von Kälte werden die braunen Fettzellen zu Heizkraftwerken und verbrennen Fett und Zucker, was längerfristig eine positive Wirkung auf das Körpergewicht hat und damit das Risiko senkt, an Diabetes Typ 2 zu erkranken.
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Rein ins Vergnügen
Mich hat wundergenommen, was am Hype ums kalte Wasser dran ist und ich habe das Eisbaden deshalb selbst ausprobiert. Vergangenen Februar bin ich also in den 4 Grad kalten Vierwaldstättersee gestiegen. Gut vorbereitet war ich in diesem Moment und eine gute Vorbereitung würde ich allen Anfänger:innen wärmstens ans Herz legen. Es ist nicht ohne, was da im Körper passiert, wenn er sich ins Eiswasser begibt und das Wissen um diese Abläufe kann dabei helfen, richtig zu reagieren, wenn einem die Kälte aus irgendeinem Grund nicht guttun würde. Verantwortlich für meine Vorbereitung und die aller anderen Kursteilnehmenden des jährlich stattfindenden Naturkurses «Eisbaden» der Naturfreunde Schweiz waren die beiden Eisbaden-Experten Beni Imhof und Martin Rohner von der Swiss Cold Training Training Association. Zwei Wochen vor dem Bad haben die beiden alle Teilnehmenden ausführlich über die Theorie des Eisbadens informiert. Wir haben gelernt, was im Körper passiert, wenn er ins kalte Wasser taucht, auf welche Warnsignale wir achten müssen und wie man sich mental auf die Herausforderung vorbereitet. Am Badetag waren ausserdem weitere Helfer:innen anwesend, die uns Anfänger:innen ins Wasser begleitet haben.
Und diese Vorbereitung wurde zu meiner ersten grossen Überraschung. Obwohl fast sämtliche Kursteilnehmende in der Theoriestunde noch unsicher waren, ob sie sich schlussendlich tatsächlich ins Wasser trauen würden, gab es am Badetag keinen Moment des Zögerns von niemandem. Alle schritten beherzt in den See und hielten locker die empfohlenen vier Minuten drin aus.
Vier Grad kaltes Wasser ist, da lässt sich nichts beschönigen, sehr, sehr kalt. Zu Beginn kann das am einen oder anderen Körperteil etwas Schmerzen auslösen. Diese verflüchtigen sich aber rasch wieder und dann – Überraschung Nummer zwei – wird der Aufenthalt im Wasser fast schon angenehm. Und auch den Atem, der im ersten Moment etwas hektisch werden kann, kriegt man schnell wieder unter Kontrolle, wenn man sich um ruhiges, tiefes Ein- und Ausatmen bemüht.
Unser Kurs hatte das Glück eines leise sonnigen und äusserst stimmungsvollen Wintertages am Vierwaldstättersee. Denn eine schöne Kulisse kann bekanntlich dabei helfen, Herausforderungen zu meistern. Und ein paar Sonnenstrahlen nach einem kalten Bad sind auch nicht verkehrt.
Nach vier Minuten haben wir das Wasser wieder verlassen. Und nun folgte für mich Überraschung Nummer drei, die (mich) tatsächlich süchtig machen kann. Kaum hat man das Wasser verlassen, fliesst das Blut zurück bis in die äussersten Extremitäten und der Körper scheint für einen Moment regelrecht zu glühen. Ob da bei mir auch noch Glückshormone flossen, kann ich nicht sagen. Mich machte allein dieses Glühen glücklich, das mich daran erinnerte, was für ein Wunderwerk unser Körper sein kann und wie trefflich er für uns sorgt, selbst wenn wir ihm nicht nur Gutes tun. Für dieses Glühen bin ich seither, wenn immer möglich, einmal wöchentlich ins kalte Wasser gestiegen – mit einer kurzen Sommerpause versteht sich. Ob diese Bäder mein Immunsystem gestärkt haben, kann ich übrigens nicht sagen, dafür war ich schon davor zu selten krank. Ziemlich sicher haben sie aber die Durchblutung meines Körpers positiv beeinflusst, sodass ich deutlich weniger fror als in anderen kalten Jahreszeiten.
Doch nicht nur ich war glücklich nach meinem ersten Kältebad. Auch die anderen Teilnehmenden äusserten sich positiv über ihre körperliche Befindlichkeit und stolz darüber, ihre Vorbehalte gegen kaltes Wasser überwunden zu haben. Meine Tipps für Kältebad-Neulinge
- Gut vorbereiten, am besten mit Profis
- Keinesfalls unbegleitet ins Wasser gehen
- Mütze und Füsslinge tragen, die Hände nicht ins Wasser tauchen während des Bads