Wir sind wir
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Bereits mit der Geburt werden wir Teil einer Gemeinschaft, die uns aufnimmt, umsorgt und prägt. Wir nehmen die in der Gruppe geltenden Normen, Werte und Ziele an und passen uns – meist automatisch und unbewusst – dem Kollektiv an. Im Laufe des Lebens werden wir Mitglied vieler Gemeinschaften. Dabei fühlen wir uns immer dann besonders zugehörig und verbunden, wenn wir ein Wir-Gefühl empfinden.
Selbst der weltweite Megatrend Individualismus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Menschen zutiefst soziale Wesen sind, die ohne Gemeinschaften nicht überleben können. Wir brauchen Gemeinschaften nicht nur als Lebensversicherungen, sondern wollen von ihnen auch akzeptiert sein, anerkannt und wertgeschätzt werden. Verantwortlich dafür sind letztlich unsere Gehirne, in denen verschiedene Botenstoffe in unseren Emotionszentren nachhaltig für Motivation, Konzentration und Vertrauensbildung sorgen. «Nichts aktiviert die Motivationssysteme so sehr, wie der Wunsch, von anderen gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben positiver Zuwendung und – erst recht – die Erfahrung von Liebe», so der Neurobiologe Joachim Bauer in seinem Buch «Prinzip Menschlichkeit».
Beziehungen und Gemeinschaften funktionieren umso besser, je stärker das Wir-Gefühl in ihnen ausgeprägt ist. Deshalb schliessen wir uns automatisch gerne Gruppen an, die ein Wir-Gefühl vermitteln, denn bei ihnen wollen wir gerne dazugehören. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl verspricht uns unbewusst auch Anerkennung und Akzeptanz.
Ein Wir-Gefühl entsteht automatisch, wenn sich die Mitglieder mit den gleichen Inhalten oder Zielen identifizieren. Erschwert wird die Bildung eines Gemeinschaftsgefühls hingegen, wenn es in einer Gruppe grosse individuelle Unterschiede gibt, wenn sie zu gross ist oder die Aufgaben- bzw. Verantwortlichkeitsbereiche sehr unterschiedlich sind.
Gemeinschaftsgefühl herbeiführen
Das Wir-Gefühl ist in einer Gemeinschaft aber nicht einfach gegeben oder eben abwesend, sondern man kann auch gezielt dafür sorgen, dass es entsteht. Wichtig dafür sind beispielsweise gemeinsame Ziele, die allen bekannt sind und die alle teilen. Unerlässlich ist auch, dass man den Mitgliedern Anerkennung, Respekt, Vertrauen sowie Ehrlichkeit und Transparenz entgegenbringt, denn das sind, wie eben gesehen, wiederum die Quellen für Motivation. Je grösser die Gruppe, desto wichtiger ist auch eine klare Aufgaben- und Rollenteilung, die den individuellen Stärken und Fähigkeiten folgt. Und ohne eine Kommunikation, die klar, respektvoll und transparent ist, gelingt als Gemeinschaft sowieso kaum etwas.
Kommt es zu Konflikten, was völlig normal ist, kann eine Gemeinschaft mit einer erfolgreichen Bewältigung daran wachsen. Konflikte können jedoch nur gelöst werden, wenn man sie austrägt – und zwar fair, respektvoll und ohne persönliche Angriffe sowie der Bereitschaft zu Kompromissen.
Wer Teil von funktionierenden Gemeinschaften ist, kommt nicht nur in den Genuss eines positiven Lebensgefühls und eines erfüllten Daseins, sondern kann auch als Individuum wachsen und sich weiterentwickeln.