«verwoben & verflochten»
Ich unterstütze die soeben eingereichte «Initiative für eine sichere Ernährung». Sie verlangt, dass die inländische, nachhaltige Produktion gestärkt werden soll. Dass wir mehr pflanzliche Lebensmittel, mehr […]
Ich unterstütze die soeben eingereichte «Initiative für eine sichere Ernährung». Sie verlangt, dass die inländische, nachhaltige Produktion gestärkt werden soll. Dass wir mehr pflanzliche Lebensmittel, mehr Biodiversität anbauen – und für sauberes Trinkwasser sorgen.
Für mein neues Buch «verwoben & verflochten»* habe ich viele Expert:innen besucht und sie gefragt, wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen soll. Ich erhielt immer die gleiche Antwort: Vielfalts- und Mischkulturen, Bodengesundheit und lokale Kreisläufe sind die Rezepte für morgen. Dazu gehört auch sauberes Wasser. Mischkulturen – also z. B. schmale Streifen verschiedener Kulturen nebeneinander – sind nicht nur resilienter gegen Klimakapriolen und resistenter gegen Frassfeinde als dies Monokulturen sind – sie sind auch deutlich ertragreicher. Oder umgekehrt: Monokulturen sind eine riesige Landverschwendung.
Warum ist das so? In guten Mischkulturen unterstützen sich die Pflanzen gegenseitig und sie kooperieren auf vielfältigste Art und Weise mit ihrem Umfeld. Ein Beispiel: Jede Pflanze hegt und pflegt in ihrem Wurzelbereich eine Community kleinster Lebewesen – ihr Wurzelmikrobiom.
Alle reden heute über unser Mikrobiom im Darm und wie ungeheuer wichtig dieses für unsere Gesundheit sei. Das gilt auch für Pflanzen, wie mir Gabriele Berg erzählte, die ich am Leibnitz-Institut in Potsdam besuchte. Sie ist eine der renommiertesten Mikrobiom-Forscherinnen weltweit. Sie sagte: «Mikrobiome verbinden alles Leben; sie verbinden den Boden mit den Pflanzen, mit den Tieren und mit uns Menschen. Unser Mikrobiom im Darm ist unmittelbar abhängig von den Pflanzen, die wir essen. Über 10 Prozent unseres Darmmikrobioms stammt direkt von Pflanzen. Wenn Sie einen Apfel essen, essen Sie hundert Millionen Bakterien mit.»
Und die Pflanzen wiederum sind abhängig vom gesunden Boden, in dem sie wachsen. Die Professorin konnte experimentell nachweisen, dass das Mikrobiom von Pflanzen in industriellen Monokulturen stark verarmt ist. Und auch: Je grösser die Pflanzenvielfalt, desto grösser und robuster ihre Mikrobiome, desto gesünder die pflanzlichen Lebensmittel. Weil alles miteinander eben «verwoben & verflochten» ist. Die Bedeutung der Pflanzenvielfalt und des gesunden Bodens kann gar nicht übertrieben werden.
Wir müssen also fundamental umdenken: Eine Pflanze ist nicht einfach ein isoliertes und passives Ding. Sondern ein Lebewesen, das Beziehungen zu Lebewesen in seinem Umfeld knüpft, das mit Duftstoffen aktiv kommuniziert, sich ständig vernetzt. Wenn wir das einmal begreifen, eröffnen sich ungeahnte Perspektiven für eine Landwirtschaft von morgen.
Mich haben diese Streifzüge durch wissenschaftliches Neuland fasziniert – und mir nochmals verdeutlicht, wie wenig wir über das Zusammenspiel des Lebendigen wissen – und wie ungeheuer viel auf dem Spiel steht, wenn wir weiterhin so zerstörerisch mit unserer Umwelt umgehen. Darum ist diese Initiative so wichtig.
*«verwoben & verflochten. Was Mikroben, Tiere und Pflanzen eint und wie sie uns ernähren», Lenos-Verlag 2024